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Errata in dem Buch: "Meister Crohn"

Schon der Klappentext, genauer gesagt der Text auf dem hinteren Umschlag enthält ein (scheinbares!) Erratum, das z.B. eine anfangs sehr interessierte Leserin so abstiess, dass sie das - geschenkte! - Buch überhaupt nicht las, sondern ungelesen wegwarf. Es ist die Bezeichnung Sarotti, eine lange schon verblichene Schokoladen-Marke ("Der Sarotti-Mohr") für die japanische Bezeichnung für die sogenannte Erleuchtung, das Satori. Damit auch heutige Menschen den Witz (eventuell) verstehen, könnte es an dieser Stelle wie auch an weiteren Stellen, auch in einer Zeichnung, beispielsweise besser und zeitgemässer Sanssouci, Sashimi oder Santorini heissen.

Ein möglicherweise ernsteres Erratum ist der immer wieder beschworene "Sommer der Liebe" in San Francisco. Damals vor fast 50 Jahren war ich so mitgerissen und angetörnt von diesem Himmel auf Erden dort, dass mir garnicht bewusst wurde, dass das ja "nur" der zweite Aufguss war. Auch als ich vor 10 Jahren darüber schrieb, waren mir nur die Ereignisse und meine Erlebnisse wichtig. Das mag subjektiv so gewesen sein, aber objektiv ist es falsch. Tatsächlich aber war dieser 2. Aufguss im Folgejahr keineswegs dünner, im Gegenteil, eher tiefer und weitere Schichten, besonders die Älteren (auch die Eltern!) und ganz Alten erfassend, keineswegs schon eine nur äusserliche Mode, wie später leider.

Was aber ein Geständnis verlangt, ist die dichterisch ausgeschmückte Schilderung der Auseinandersetzung zwischen Timothy Leary und dem rundweg kriminellen Schüler Eido Shimano meines Meisters, die ich nur aus den Erzählungen der Beteiligten kenne. Aber selbst so konnte ich klar erkennen und der Leser hoffentlich auch, dass dieser traurige Wichtigtuer Eido ein Judas war, der - ähnlich wie meines Meisters Nachfolger als Ryutakuji-Abt, Suzuki Sochu und ich letztlich auch - das allumfassende OK meines Zen-verrückten Meisters gnadenlos ausnutzte und missbrauchte. (Mit dieser universellen Zustimmung zu allem Sein so wie es jetzt ist, hatte Soen Roshi ausdrücklich, aber für normale Menschen völlig unbegreiflich, auch kriminelle Verbrecher und jeglichen nur denkbaren "Unrat" umarmt.)

Hier noch eine Klarstellung der Namen: Im Text habe ich Eido Shimano als "Takuhatsu-Flirt" und "Meister des heutigen Datums" bezeichnet, Sochu Suzuki hiess wirklich so und mein Meister, den ich im Text "Meister Drachenwesen" nannte, hiess Nakagawa Soen, Vorname ursprünglich Motoi für Grund, chinesisch Ki (phonetisch für Christus) nach seinem Geburtsort Keelung. Drachen-Person (so übersetzte er es selbst) war sein Haiku-Dichter Pseudonym. Um auch Meister Y. zu erwähnen, damit war Soen Roshis ehemaliger Klassenkamarad Yamada Koun gemeint.

Um vor allem folgendes massive Erratum des Textes anzusprechen: Mein Meister Soen Roshi war eben kein weiser Zenmeister, sondern viel eher ein verrückter Fuke (Pu hua), der sich nie wirklich in das normale Zen-Establishment eingefügt hatte, weshalb er meine Verrücktheiten so grosszügig tolerierte und sogar herausforderte.

Suzuki Sochu betreffend, den ich damals vehement ablehnte, alleine schon weil ich gesehen hatte, dass sein Zimmer mit Bergen von Manga-Heften (jap. Pornos) vermüllt war (es mag ja auch noch sein, dass er sich zum Abt-Nachfolger getrixt hatte) muss ich heute erkennen, dass er es war und nicht mein verehrter Meister, der mir durch seine Aufmerksamkeit das Leben rettete. Weil er eben gerade nicht wie mein verrückter Meister in anderen Sphären weilte, sondern nüchtern und ganz ohne Höhenflüge auf dem Boden der Tatsachen zu Hause war und blieb, gemäss dem buddhistischen Ziel allumfassender, geduldiger Akzeptanz, auf Sanskrit anutpattika dharma kshanti, japanisch: mu sho bo nin, allerdings erst NACH und trotz der buddhistischen Erkenntnis, die die Buddhisten nahezu unverändert vom Hinduismus übernommen haben, nämlich die Erkenntnis der Leerheit und daher völligen Unwirklichkeit alles Irdischen.

Was meine Skepsis gegenüber diesem Nachfolge-Abt meines verehrten Meisters allerdings befeuerte, war sein - von mir vehement abgelehnter - Versuch, mir die sog. Erleuchtung zu bestätigen und - ebenfalls abgelehnt - seine Bitte, ihm zu helfen, christliche Koans zu kreieren, für seine westlichen Schüler. Undenkbar wäre sowas gewesen bei meinem und seinem Meister Soen-roshi mit dessen übersprudelnder Kreativität.

Dieser obige Wortschwall ist ausgelöst durch meine Hemmungen das Haupt-Erratum dieses Buches klar zu benennen: Meine naive und total kritiklose Verehrung, um nicht zu sagen Vergötzung, meines Meisters.

Das vergangene Jahrzehnt habe ich tatsächlich so gut wie jeden Tag über diesen spirituellen Titanen gegrübelt und kann nun - ohne irgendwelche neue Tatsachen erfahren zu haben - behaupten: Sein früher Tod war ein Freitod und die vorhergegangenen mysteriösen schwersten Verletzungen Folgen eines Suizidversuches.

Schon sein Vorgänger, der von seinem Meister Gempo-roshi designierte Nachfolger, hatte nach Japans Kapitulation Suizid begangen.

Und man bedenke doch: Mein Meister hatte nur 5 Schülern die Erleuchtung bestätigt, allesamt Japaner. Zwei sehr alte, die kurz danach starben, der beeindruckende Mönch Beijo, von dem ich aber nie wieder etwas hörte, besagter Sochu, allein dessen gewaltiger Bauchumfang schon so sehr zum asketischen Soen-roshi kontrastierte und schliesslich der geradewegs kriminelle Eido, der verkommene Leiter der NY-Zendo und des herrlichen internationalen Dai Bosatsu Tempels, (und intendierten aber nochnicht verwirklichten interreligiösen Zendo) in NY-upstate, Soen-roshis wahr gewordenem Traum, den er gegründet hatte, aber dessen feierlicher Eröffnung er demonstrativ ferngeblieben war. Stattdessen ernannte er sozusagen im Vorbeigehen eine amerikanische Musikerin zur Zenmeisterin, die sich umgehend der seelischen Verletzungen der durch Eido-roshi missbrauchten Schülerinnen annahm (Eidos verhärmte Frau hatte Spendengelder für den Tempel abgezweigt, um diese missbrauchten Schülerinnen ihres Mannes zu versuchen, ruhig zu stellen).

Eine allerletzte Episode zu diesem deprimierendem Thema: Soen Roshis Tempel Ryutakuji war ein Untertempel des Haupttempels der Rinzai-Sekte, natürlich in Kyoto, dessen Abt war automatisch das Oberhaupt dieser Zen-Schule. Den Ehrentitel "Abt für 3 Tage", Voraussetzung um später regulärer Abt und Oberhaupt der Rinzai-shu werden zu können, hatte Soen-roshi auf für die dortigen Offiziellen unbegreifbare Weise vermieden, aber der dicke Sochu (möglicherweise entsprechend antichambrierend) später mit Freude angenommen. An dem Tag, als Sochu in Kyoto feierlich installiert werden sollte, starb Soen Roshi.

Diese Fülle trauriger Nachrichten aus Japan hätte so gut ausbalanciert werden können durch eine eingehendere Schilderung meiner weiteren Reisen durch Asien: Südostasiens überwältigende Schönheit der jungen Mädchen dort, der Kunst und der Tempel. Und vor allem Indiens, des Mutterlandes der Meditation, allertiefste Weisheit. Aber dies hier ist nun mal lediglich eine nüchterne Liste der Errata.

Ein möglicherweise verzeihliches Erratum ist meine Schwärmerei für die Segelfahrten und gar deren Gleichsetzung mit Meditation auf dem kleinen aber viel zu aufwendigen 3-Mast Rahsegler nach Süd- und Nord-Amerika. Erst jetzt im Alter habe ich begriffen, dass echter, zutiefst beglückender und meditativer Wassersport nur zu Hause im Heimatrevier in einem Bootchen ohne Verbrennungsmotor gefunden werden kann (in meinem Fall ein geschenktes Segel-Kanu, hinter dem Fahrrad zum nahen Rhein getrailert, wo das Klapprad im Bootchen verschwindet und von überall die Heimfahrt ermöglicht). Die unermessliche Schönheit des traditionellen Canadier-Kanu bei gleichzeitiger, ständiger Kentergefahr ist ein treffendes Gleichnis für das errare humanum est.

Ob das Titel-Thema dieses Buches (die Genese des M. Crohn) ein Erratum bzw. besser gesagt ein Hirngespinst des Autors ist, mag ein Leser selbst entscheiden oder haben Fachleute bereits geklärt, nur dass deren wissenschaftliche Erkenntnisse den Autor leider noch nicht erreichten.

Jedenfalls ist es überhaupt garnicht bedauerlich, dass die oben geschilderte Interessentin an diesem Buch es nicht gelesen hat, nur dass sie so nicht mitbekam, wie der Autor am Ende sein Buch quasi zu einem einzigen Erratum erklärt und den Leser auffordert: "Freund, sieh selber zu! Schreib dein eigenes Buch!"

Aber es bleibt halt ein peinliches Erratum, dass diese Befreiung des Lesers erst am Ende des Buches beschworen wird, statt ganz am Anfang, am besten gleich im Titel ...




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